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Eklat bei der US-Marine
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Eklat bei der US-Marine US-Regierung erlässt Namensänderung eines Marineschiffs, um die Ehrung des schwulen Politikers Harvey Milk zu tilgen

ms - 04.06.2025 - 10:30 Uhr
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Mit voller Absicht hat das US-Verteidigungsministerium ausgerechnet zum Pride Monat Juni jetzt angekündigt, den Namen eines Marineschiffes zu ändern – dieser lautet bisher auf „Harvey Milk“ im Andenken an den ersten offen schwulen Politiker der USA. 

Politische Kriegsführung

Angeordnet wurde die Namensänderung von Verteidigungsminister Pete Hegseth, der Zeitpunkt sei absichtlich gewählt worden, bestätigte ein Sprecher des Ministeriums. Der neue Name des Schiffes wird feierlich Mitte Juni bekannt gegeben. Die USNS Harvey Milk wurde im November 2021 vom Stapel gelassen, als Joe Biden Präsident war. Es war das erste Militärschiff, das nach einer homosexuellen Person benannt wurde. Es handelt sich um einen Nachschubtanker, der andere Schiffe auf See mit Treibstoff versorgt. 

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums seien weitere Umbenennungen geplant, dazu gehören USNS Thurgood Marshall, USNS Ruth Bader Ginsburg, USNS Harriet Tubman, USNS Dolores Huerta, USNS Lucy Stone, USNS Cesar Chavez und USNS Medgar Evers. Umbenennungen von Schiffen sind eigentlich sehr selten. Man kommt nicht umhin, von einer politischen Kriegsführung der Republikaner gegen unliebsame Persönlichkeiten der US-Geschichte auszugehen.

Vorreiter der Gay-Bewegung 

Harvey Milk gilt als eine Ikone der Schwulenbewegung in den USA, 1977 wurde er nach mehreren gescheiterten Anläufen zum Mitglied des Stadtrates von Kalifornien gewählt. Zuvor war er 1951 nach seinem College-Abschluss in die Marine eingetreten. Er war Tauchausbilder in San Diego, bis ihm 1954 wegen „homosexueller Handlungen“ das Kriegsgericht drohte, weswegen er vorab kündigte und „unehrenhaft“ entlassen wurde. 

Immer wieder hatte sich Milk in seinem Leben und speziell während seiner Amtszeit für die Rechte von Schwulen und Lesben eingesetzt und aktiv auch die Anti-Gay-Kampagne „Save Our Children“ bekämpft, die homosexuelle Lehrer von den Schulen ausschließen sollte. 1978 wurden Milk und der Bürgermeister von San Francisco, George Moscone, vom verärgerten, ehemaligen Stadtaufseher Dan White erschossen. Der Tod von Milk und das milde Urteil für White sorgten für Massenproteste der Community im ganzen Land, die heute als Eckpfeiler der Gay-Bewegung in den USA gelten. Milks Leben wurde 2008 verfilmt mit Sean Penn in der Hauptrolle – die Filmbiografie nach einem Drehbuch von Dustin Lance Black erhielt zwei Oscars. 

„Beschämende pure Bigotterie“

Die Umbenennung des Marineschiffs sorgt zurecht deswegen nun für viel Empörung in den USA. Der schwule kalifornische Senator Scott Weiner erklärte so: „Das ist absolut beschämend. Harvey Milk war ein Held. Er war ein Veteran, der unserem Land gedient hat. Er starb für unsere Gemeinschaft. Tapfere LGBTIQ+-Veteranen haben jahrelang dafür gearbeitet, dass ein Schiff nach Harvey benannt wird. Jetzt wischen Trump und Hegseth dies aus purer Bigotterie weg. Sie sind entschlossen, LGBTIQ+-Personen aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens auszulöschen.“

Ähnlich scharf bewertet das die emeritierte Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, gegenüber CBS News: „Die gemeldete Entscheidung der Trump-Administration, die Namen der USNS Harvey Milk und anderer Schiffe der John-Lewis-Klasse zu ändern, ist eine beschämende, rachsüchtige Auslöschung derjenigen, die dafür gekämpft haben, Barrieren zu überwinden, damit alle dem amerikanischen Traum nachjagen können. Unser Militär ist das stärkste der Welt – aber dieser boshafte Schritt stärkt weder unsere nationale Sicherheit noch das Ethos des Kriegers. Stattdessen ist es eine Preisgabe eines grundlegenden amerikanischen Wertes: das Vermächtnis derer zu ehren, die daran gearbeitet haben, ein besseres Land aufzubauen.“

Vermächtnis bleibt erhalten

Der Neffe des schwulen Politiker, Stuart Milk, betonte: „Harvey Milks Vermächtnis wird sicherlich durch ein Schiff der US-Marine aufgewertet und gefeiert, aber sein Vermächtnis wird durch die Umbenennung dieses Marineschiffs weder zum Schweigen gebracht noch geschmälert. Vielmehr würde eine solche Aktion nur beweisen, dass die Hoffnung im Stil von Harvey Milk weiterhin Bestand hat und auf der ganzen Welt inspiriert, und dass weder Kugeln noch eine Umbenennung Harveys wichtigste Botschaft an uns alle aufhalten können, als er prophetisch voraussah, dass er das ultimative Opfer bringen würde: ´Mögen die Kugeln, die in mein Gehirn eindringen, jede Barriere zerstören. Ihr müsst ihnen Hoffnung geben.'“

Es ist dabei nicht das erste Mal, dass das Verteidigungsministerium sowie die Trump-Regierung mit ihrem Kampf gegen Diversität für Unverständnis sorgen, zuletzt machte im März dieses Jahres die massive Löschaktion in den Militärarchiven  Schlagzeilen: Alle „Reizwörter“ sollten dabei verschwinden, darunter war auch der Name des Flugzeugs, das im August 1945 die erste Atombombe der Welt auf Hiroshima abgeworfen hatte, die „Enola Gay“. Der Name hat keine Verbindung zur schwulen Community, sondern bezieht sich auf die Mutter des Piloten. Für die US-Regierung war es trotzdem ein rotes Tuch. 

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