Vertrauensfrage in Polen Donald Tusk gewinnt und bleibt trotzdem der Verlierer – wie auch die Community
Nach dem Desaster bei der Stichwahl Anfang Juni in Polen hat Ministerpräsident Donald Tusk heute am späten Nachmittag die Vertrauensfrage im Parlament gestellt – eine Mehrheit von 243 Abgeordneten im Parlament votierte schlussendlich nach hitzigen und langwierigen Debatten für den liberalen Politiker, der auch ein Unterstützer der LGBTIQ+-Community ist. Viel Grund zur Hoffnung besteht trotzdem nicht. Zudem: 210 Abgeordnete stimmten gegen das Dreier-Bündnis in der Regierung.
Veto gegen Schwule und Lesben
Tusk will mit dieser Rückendeckung gestärkt versuchen, Gesetze durchzusetzen, darunter eigentlich auch ein Partnerschaftsgesetz für homosexuelle Paare. Am Grundproblem ändert das heutige Ergebnis allerdings wenig: Der neue rechtsnationalistische Präsident Karol Nawrocki lehnt mehr Rechte für die Community strikt ab und kann mit einem Veto alle Gesetze der Tusk-Regierung stoppen.
Damit bleibt die Mitte-Links-Regierung in weiten Teilen entmachtet – zuvor hatte der frühere, ebenso stark konservative Präsident Andrzej Duda seit dem Regierungswechsel 2023 diverse Reformvorhaben ausgebremst, darunter auch mehr Rechte für LGBTIQ+. Tusk erwartet nun erneut harte Konflikte mit dem neuen Präsidenten Nawrocki, der von der oppositionellen, homophoben PiS-Partei unterstützt wurde. Nebst mehr Gleichberechtigung für Lesben, Schwule und queere Menschen will Tusk auch die Beschädigung des Rechtstaates rückgängig machen und die unabhängige Souveränität der Richter wieder herstellen, die die PiS untergraben hatte. Das könnte langfristig auch für mehr Gerechtigkeit für die Community sorgen – doch auch von dieser Idee scheint Nawrocki wenig zu halten.
Neue Agenda – ohne die Community?
Nach Angaben des Polenexperten Piotr Buras, Leiter des Warschauer Büros des European Council of Foreign Relations, muss Tusk nun eine neue Regierungsagenda vorlegen – bisher konnte er wenig von dem umsetzen, was er 2023 versprochen hatte. Offensichtlich hing alles an der Präsidentenwahl, die schlussendlich aber mit einer knappen Niederlage für Tusks Wunschkandidaten, den Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski, endete – es fehlten knapp 370.000 Stimmen zum Sieg. Will Tusk doch noch zumindest einige Gesetzesvorhaben in seiner Amtszeit umsetzen, muss er sich jetzt irgendwie mit Präsident Nawrocki einigen, ein quid pro quo sozusagen. Ob der Rechtsnationalist aber trotz Zugeständnisse seitens Tusk jemals einer rechtlichen Verbesserung für Schwule und Lesben zustimmt, darf stark bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist, dass die Reformen für die Community bei den Verhandlungen für andere Regierungsprojekte geopfert werden – eine Situation, die vielen queeren Menschen gut bekannt sein dürfte.